Stellen Sie sich vor, Sie diskutieren mit ihrem Nachbarn oder einer guten Freundin über ein Thema, in dem Sie sich richtig gut auskennen – und ihr Gegenüber ist komplett anderer Meinung. Um die andere Person von Ihrem Standpunkt zu überzeugen, präsentieren Sie Fakten, Fakten, Fakten. Sie argumentieren, erklären, geben Hintergründe – doch so richtig scheint Ihr Standpunkt nicht zu verfangen.

Oder stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Kunden zum Vertragsabschluss bewegen. Sie sind exzellent vorbereitet und präsentieren ausführlich all ihre Vorzüge. Nach der Präsentation haben Sie ein gutes Gefühl – und sind umso enttäuschter, als wenig später telefonisch eine Absage eintrudelt. Häufig fragt man sich dann, ob und was man falsch gemacht hat.

Diese Situationen kennen die meisten Menschen – auch Niro Sivanathan. Er ist Außerordentlicher Professor für Organisationsverhalten an der London Business School (LBS) und weiß auch, woran es in oben genannten Momenten gehapert hat. "Viel zu häufig begegnen wir Menschen, die zwar etwas sagen, aber es nicht schaffen, andere zu beeinflussen", erklärt der Experte er in einem Ted-Vortrag. "Ihre Botschaft war dann gut, aber ihre Umsetzung fehlerhaft."

Weniger ist mehr

Sivanathans Meinung nach gibt es einen Unterschied zwischen einem guten und einem überzeugenden Argument. "Ein gutes Argument, das schlecht vorgetragen wird, ist eine verpasste Gelegenheit."

Wie bei vielen Dingen im Leben überzeugt am Ende auch in Debatten nicht der- oder diejenige mit den meisten, sondern mit den besten Argumenten. Sein wichtigster Tipp lautet daher: Weniger ist mehr. Um seine These zu untermauern, zitiert er gerne das Beispiel zweier Studenten:

Tim lernt 31 Stunden pro Woche außerhalb des Unterrichts.

Tom, wie Tim, verbringt ebenfalls 31 Stunden außerhalb des Unterrichts mit Lernen. Er hat einen Bruder und zwei Schwestern, er besucht seine Großeltern, er hatte einmal ein Blind Date und spielt alle zwei Monate Billard.

In einer Untersuchung bat er mehrere Menschen, den Notenschnitt von Tim und Tom zu bewerten. Im Schnitt wurden die Leistungen von Tim deutlich höher eingeschätzt, obwohl beide 31 Stunden pro Woche außerhalb des Unterrichts lernen.

So funktioniert der Verwässerungseffekt

"Was Sie hier beobachten, ist der so genannte Verwässerungseffekt (Dilution Effect)", erklärt Sivanathan. Dies sei eine in der Wissenschaft anerkannte kognitive Verzerrung, welche die Fähigkeit des Menschen, gute Entscheidungen zu treffen, beeinträchtigt. Er funktioniert so: Wenn Menschen ein Urteil fällen – egal ob es um die Wahl der Joghurtmarke geht oder darum, welches Medikament man gegen Kopfschmerzen nehmen soll – wägen sie eine Reihe von Faktoren ab. Einige dieser Argumente oder Faktoren sind für die Entscheidung sehr wichtig (sogenannte diagnostische Informationen), andere weniger (nicht-diagnostische Informationen).

Nicht-diagnostische Informationen sind Fakten, die für das zu treffende Urteil nicht relevant sind. Muss ein Arzt etwa den Gesundheitszustand eines Patienten beurteilen, wären die Symptome eine diagnostische Information, die Haarfarbe wäre dagegen für die Beurteilung des Zustands irrelevant und daher nicht-diagnostisch.

Psychologie


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Schwächung statt Stärkung

Kommen wir nun zurück zur eingangs erwähnten Diskussion mit dem Nachbarn: Um ihn von der eigenen Meinung zu überzeugen, entscheiden sich viele Menschen instinktiv dafür, so viele Informationen wie möglich in einem Gespräch zu platzieren. Viele beginnen mit dem überzeugendsten Argument und ergänzen dieses mit einigen schwächeren Punkten, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass es der Argumentation hilft, wenn man sie vollständig von allen Seiten betrachtet. In Wirklichkeit verwässert das Hinzufügen von schwächeren Argumenten jedoch die Stärke des stärksten Arguments im Kopf des Zuhörers.

Sprich: Statt die eigene These zu untermauern, können die zusätzlichen Informationen sogar die "Schlagkraft" des stärksten Arguments schwächen. Statt mit vielen Argumenten um sich zu werfen, sollte man die besten darlegen – und es dann dabei belassen. Denn wenn wir Menschen zu viele Informationen erhalten, beeinträchtigt das unsere Fähigkeit, diese zu verarbeiten.

„Vermeiden Sie zusätzliche, aber unbedeutende Informationen“

Auf das Beispiel des Verkaufs-Pitches bezogen rät Sivanathan: "Identifizieren Sie Ihre wichtigsten Verkaufsargumente, und lassen Sie den Rest weg. Halten Sie sich in Ihrem Pitch an Ihre stärksten Argumente und bedenken Sie, dass Sie womöglich nur einen oder zwei Punkte brauchen, um Ihre Argumente vorzubringen. Fragen Sie sich: Wenn Sie nur 30 Sekunden Zeit hätten, was würden Sie dem Kunden in dieser Zeit mitteilen wollen?"

"Vermeiden Sie es, zusätzliche, aber letztlich unbedeutende Informationen zu Ihrem Pitch hinzuzufügen, die von der Kraft und Wirkung Ihres Hauptverkaufsarguments ablenken könnten." Zwar sei es nachvollziehbar, sich oder das eigene Unternehmen stets von der besten Seite zeigen zu wollen und zu gewährleisten, dass das Gegenüber ein möglichst umfangreiches Bild des eigenen Könnens erhält. "Aber bedenken Sie, dass Sie riskieren, Ihre Schlüsselbotschaft zu untergraben, wenn Sie sie mit weniger auffälligen Informationen ergänzen."

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